Lichtspuren fotografieren – ein Leitfaden für Fortgeschrittene
Tipps und Tricks für wenn die Stadt im Licht erstrahlt
Als urbaner Fotograf hat mich die Stadt bei Nacht schon immer fasziniert. Ich verwende Nikon-Kameras schon seit meinen Anfängen vor 13 Jahren. Noch nie wurde ich enttäuscht – vor allem nicht beim Fotografieren von Lichtspuren. Lichtstreifen – wie auf einer Leinwand über den Nachthimmel gemalt – können zu faszinierenden Bildern werden. Hier sind die Tipps, die ich über die Jahre gelernt habe.
Den Ort erkunden
Der erste Schritt zum Einfangen beeindruckender Lichtspuren von Autos besteht darin, den perfekten Standort zu finden. Sucht nach verkehrsarmen Straßen – denn dann könnt ihr saubere, ununterbrochene Spuren aufnehmen. Brücken sind oft eine gute Wahl. Sie bieten eine gute Übersicht über die Straße. Wenn ich in London unterwegs bin, achte ich auf solche Punkte mit guter Sicht, wie die Straßen aus verschiedenen Perspektiven aussehen und wo der Verkehr fließt. Experimentiert und findet den für euch besten Standort.
Auf den Fotos oben befinde ich mich an einem Bahnhof. Ich stehe ganz am Ende des Bahnsteigs und fotografiere mit einem Stativ vom äußersten Rand aus. Ich habe zwar komische Blicke von Passanten geerntet, aber das war es wert!
Schritt-für-Schritt-Anleitung zum Einrichten und Einstellen der Kamera
Ausrüstung
Ihr müsst die richtige Ausrüstung dabeihaben. Mein Favorit ist die Nikon Z8 mit dem NIKKOR Z 14-24mm f/2.8 S und einem stabilen Stativ – ich bevorzuge das Gitzo Traveller. Ihr könnt auch ohne Stativ fotografieren, aber mit ist es einfacher: Es hilft euch bei der Wahl der Bildausschnitte. Als Nächstes kommt ein Filter. Ich verwende den Filter Polar Pro Peter McKinnon VND (variablen Graufilter) – der funktioniert wie eine Sonnenbrille für das Kameraobjektiv und lässt euch den Lichteinfall in die Kamera steuern. Dadurch könnt ihr auch bei hellem Tageslicht mit langen Belichtungszeiten fotografieren. Der letzte Punkt ist ein Fernauslöser, mit dem ihr den Verschluss betätigen könnt, ohne die Kamera berühren zu müssen. Wenn ihr eure Kameraausrüstung gerade erst zusammenstellt, könnt ihr stattdessen den Selbstauslöser-Modus oder SnapBridge am Smartphone verwenden.
Eure Kamera einrichten
Wenn ich Lichtspuren fotografiere, fange ich immer gleich an, und passe dann nach der ersten Belichtung an die Gegebenheiten an:
- Kameramodus: Zeitautomatik
- Blende: f/8
- ISO: 100
- Verschlusszeit: wird von der Kamera bestimmt
Dann mache ich ein weiteres Foto, um zu sehen, wie die Spuren aussehen. Die Zeitautomatik vereinfacht den ganzen Prozess. Die Blende variiert ihr je nach gewähltem Standort, dem für die Kamera verfügbaren Licht und den durch die Szene fahrenden Autos. Experimentiert und prüft, ob alles so aussieht, wie ihr es euch vorstellt. Macht dann erst die endgültigen Aufnahmen.
Es lohnt sich, das Aufnehmen von Fotos zu üben, bei denen die Spuren sowohl lang als auch scharf sind. Der zusätzliche Zeitaufwand bringt’s. Ein wichtiger Faktor ist das verfügbare Licht und die Geschwindigkeit der Autos. Ist die Verschlusszeit zu kurz, werden die Spuren zwar scharf, hell und kräftig, sind aber nicht sehr lang. Ist die Verschlusszeit zu lang, werden die Spuren lang, verblassen aber vielleicht zu schnell. Das Experimentieren, um die optimalen Einstellungen zu finden, ist entscheidend. Es sollte alles passen, bevor ihr eure endgültigen Fotos aufnehmt.
Tipps vom Profi
- Verwendet den Zeitautomatik-Modus. Schaut aber immer selbst hin und ändert die Einstellung manuell, wenn etwas nicht passt.
- Für die Aufnahme von Lichtspuren müsst ihr eine Langzeitbelichtung machen.
- Im Zeitautomatik-Modus könnt ihr mit der Blende die Belichtungszeit der Kamera steuern. Eine Verschlusszeit von etwa 15–30 Sekunden ist ideal. Passt die Blende immer wieder an, um den gewünschten Effekt zu erzielen.
- Stellt den Weißabgleich auf Automatik und passt bei Bedarf in der Nachbearbeitung an.
- Ich empfehle manuelles Fokussieren auf einen bestimmten Punkt auf der Straße. Dadurch werden die Spuren scharf.
- Ein stabiles Stativ ist für Langzeitbelichtungen unerlässlich. Auch ein Fernauslöser kann helfen, Verwacklungen zu vermeiden.
Den Bildausschnitt wählen
Die Komposition eurer Autolichtspur-Aufnahmen ist genauso wichtig wie die technischen Einstellungen. Hier sind ein paar Tipps für die Erstellung überzeugender Bilder:
- Führende Linien: Sucht nach Führungslinien auf der Straße oder in der umgebenden Landschaft, die den Blick auf die Lichtspuren lenken.
- Bildausschnitt: Verwendet Elemente im Vordergrund, wie Bäume oder Gebäude, um eure Aufnahme einzurahmen.
- Symmetrie: Achtet auf Symmetrien im Bildausschnitt, um ein Gefühl von Ausgewogenheit und Harmonie zu schaffen.
- Drittelregel: Unterteilt euer Bild in neun gleiche Teile, indem ihr euch zwei horizontale und zwei vertikale Linien denkt. Platziert die wichtigsten Elemente eurer Aufnahme an den Kreuzungspunkten dieser Linien.
Die Spuren erfassen
Wenn ihr dann eure Kamera eingerichtet und den Bildausschnitt gewählt habt, geht es endlich los: Zeit, die Spuren einzufangen! Meine Tipps:
- Macht viele Aufnahmen verschiedener Spuren für die Nachbearbeitung – vor allem, wenn nur wenig Verkehr herrscht.
- Es kann etwas dauern, bis man die perfekten Lichtspuren eingefangen hat. Seid geduldig und probiert immer wieder verschiedene Einstellungen und Bildausschnitte aus.
- Experimentiert ruhig mit verschiedenen Verschlusszeiten und Blenden, um herauszufinden, was am besten funktioniert.
Nachbearbeitung
Habe ich meine Bilder dann im Kasten, lade ich sie in Adobe Lightroom hoch und mache meine üblichen Anpassungen. So bekommen die Fotos meinen Stil. Dabei halte ich das Bild so naturgetreu wie möglich. Ich nehme lediglich ein paar Änderungen an den Farben vor, so wie ich sie mag.
Dieser Teil ist immer Geschmackssache – eure Entscheidung! Auch meine Einstellungen variieren oft von Foto zu Foto. Ich wähle dann alle gewünschten Bilder mit den Autospuren aus und wende die gleichen Einstellungen an. Diese Fotos können je nach Straßenbreite und Bildausschnitt an mehreren Stellen aufgenommen worden sein.
Z7 + NIKKOR Z 14-24mm f/2.8 S. Links: 24 mm, 30 s, f/9, ISO 100. Rechts: 24 mm, 30 s, f/8, ISO 100 © Ben Moore
Mit Nachbearbeitung auf die nächste Stufe
Sucht in Adobe Photoshop euer Basisbild – das vollständigste Bild in eurem Set. Fügt anschließend mehrere bearbeitete Bilder aus der gleichen, vom Stativ aus aufgenommen Aufnahmeserie als Ebenen hinzu, um das Bild spannender zu machen. Wie viele Bilder ich mache, hängt davon ab, was die einzelnen Bilder zur Szene beitragen. Wenn ich beispielsweise rechts mehr Spuren brauche, füge ich ein Bild hinzu, das mehr Spuren auf der rechten Seite hat. Wenn ich fertig bin, wähle ich die zusätzlichen Bilder aus, gruppiere sie und wähle „Aufhellen“. Dadurch werden nur die hellsten Teile des Bildes durchgelassen. Ich erstelle auch eine Gruppenmaske und blende dann alles aus, was nicht auf der Basisebene zu sehen sein soll.
Ihr könnt den Effekt auf den beiden Bildern oben sehen. Abbildung 1 ist ein Einzelbild, während Abbildung 2 viel mehr Lichtspuren aufweist und durch die Verschmelzung mehrerer Ebenen an Wirkung gewinnt.
Wenn ich mit der Gesamtbalance des Bildes und der Bearbeitung zufrieden bin, mache ich das Bild noch etwas sauber. Dabei entferne ich alles, was die Aufmerksamkeit vom Wesentlichen ablenken könnte. Und das war’s auch schon!
Jetzt seid ihr dran …
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